Komponist und Kapellmeister
* Wien, 2. 5. 1843
† Wien, 14. 11. 1922
Ab 1856 erlernte Ziehrer bei seinem Vater das Hutmachergewerbe und wurde 1860 zum Gesellen freigesprochen. Nach Klavierstudien bei Bernhard Spineder und musiktheoretischem Unterricht bei Emerich Hasel erlangte er 1863 vom Wiener Magistrat die Erlaubnis zu öffentlichem Auftreten. Am 21.11.1863 debütierte er als Kapellmeister und Komponist im Dianabad-Saal mit einem eigenen aus 40 Musikern bestehenden Orchester. Der Musikverleger Carl Haslinger trennte sich von den Brüdern Strauß und nahm an deren Stelle Ziehrer unter Vertrag, dessen Debütkompositionen, der Walzer „Wiener Tanzweisen“ und die Polka française „Die Jägerin“, bereits im Dezember 1863 erschienen. Vom Militärdienst befreit, trat Ziehrer in der Folge mit eigenem Orchester in Wien und Umgebung als Komponist und Interpret von Tanzmusik hervor. Erste Konzertreisen führten ihn nach Graz (1867) und Pest (1869). 1870–1873 leitete Ziehrer die Musikkapelle des IR.s Nr. 55. Er veranstaltete viel besuchte Promenaden-Konzerte, in deren Rahmen er 1871 Opernabende einführte. Anlässlich der Wiener Weltausstellung 1873 organisierte Ziehrer wieder ein eigenes ziviles Orchester, mit dem er 1874 die erste Deutschland-Tournee unternahm. Im Dezember 1873 erschien mit Opus 209 seine letzte Komposition bei Haslinger; ab 1874 gab Ziehrer die „Deutsche Musik-Zeitung“ heraus, in der er u. a. die Klavierausgaben seiner nächsten Werke veröffentlichte. Im selben Jahr erwarb er auch die Zellner’schen „Blätter für Theater, Musik und Kunst“ sowie das Kunstjournal „Deutsche Schaubühne“. Ab 1875 war Ziehrer Kapellmeister der Musikkapelle des IR.s Nr. 76; 1878 übernahm er das zu ihm übergelaufene Orchester von Eduard Strauß. Eine viermonatige Kunstreise 1879 nach Bukarest brachte Ziehrer die Ernennung zum königlich rumänischen Hofkapellmeister. Häufige Konzerttätigkeit im Ausland (Berlin, St. Petersburg, Breslau, München, Hamburg etc.) trugen ihm internationales Ansehen ein. 1881 lernte Ziehrer in Berlin die Sängerin Marianne Edelmann (eig. Maria Laura Münk) kennen, die er sieben Jahre später heiratete. Ab 1885 leitete Ziehrer auf höchstem musikalischem Niveau die Kapelle des IR.s Nr. 4 (Hoch- und Deutschmeister), bis er 1893 nach äußerst erfolgreichen Konzerten mit dieser Musikkapelle bei der Weltausstellung in Chicago aus dem Militärverband schied, weil er wiederholt um Urlaubsverlängerung zur Fortsetzung der USA-Tournee angesucht hatte. 1894 unternahm er mit der „Chicagoer“ Konzertkapelle eine ausgedehnte Kunstreise durch Deutschland. Es folgten noch Reisen nach London (1895), Aussig, Dresden, Budapest (1896) und eine weitere durch Deutschland (1897). 1896–1903 veranstaltete Ziehrer sog. Concert-Akademien im Ronacher an Stelle der bisherigen Promenaden-Konzerte. Neben Franz Lehár, Richard Strauss und anderen prominenten Musikern dirigierte auch Ziehrer das Riesen-Orchester mit ca. 120 Musikern, eine der Hauptattraktionen der Saison 1902 im Vergnügungsetablissement Venedig in Wien. 1908 wurde ihm nach Johann Strauß Vater, Johann Strauß Sohn und Eduard Strauß als viertem und zugleich letztem Musiker der Titel eines K. k. Hofball-Musik-Direktors verliehen. – Wiewohl Ziehrer seit 1872 mehr oder weniger erfolgreich immer wieder auf den Operettenbühnen Wiens vertreten war, gelang ihm in diesem Genre der Durchbruch erst 1898 mit der Operette „Der schöne Rigo“, uraufgeführt im Venedig in Wien. Die Operette „Die Landstreicher“, ein Jahr später ebendort auf die Bühne gebracht, erzielte 1600 Aufführungen. Dem darin enthaltenen Refrain „Sei gepriesen, du lauschige Nacht“ liegt eine Melodie aus Johann Strauß’ Walzer „Spiralen“ op. 209 zugrunde, eine Hommage an den kurz vor der UA Verstorbenen. Es folgte bis 1916 jährlich eine neue Operettenproduktion Ziehrers, der nunmehr als Bühnenkomponist dieselben großen Erfolge erlebte wie als Komponist von Tanzmusik und (Militärmusik-)Kapellmeister.
Werke: Tänze und Märsche (566 Werke mit Opuszahl, darunter die Walzer „Weana Mad’ln“ und „Wiener Bürger“, „Schönfeld-Marsch“; über 200 o. op.), 29 Bühnenwerke (Operetten etc.); posthume Bearbeitungen.
Diese Biografie wurde uns dankenswerterweise vom „Oesterreichischen Musiklexikon ONLINE“ (www.musiklexikon.ac.at) zur Verfügung gestellt.