Hans CANON, eigentl. Johann Baptist Straschiripka (Strašiřipka)
Maler
* Wien, 15. 3. 1829
† ebd., 12. 9. 1885
röm.-kath., ab 1882 evang. HB
Johann Baptist Straschiripka (Strašiřipka) nannte sich seit den frühen 1850er-Jahren häufig Straschiripka-Canon oder Canon, ab den 1870er-Jahren ausschließlich Canon. Nach Besuch des Piaristengymnasiums in Krems an der Donau inskribierte Canon 1843–1845 am Wiener polytechnischen Institut und 1845–1846 kurzzeitig an der Wiener Akademie der bildenden Künste, 1847 war er vermutlich einige Monate Privatschüler Ferdinand Georg Waldmüllers. Zusätzlich widmete er sich zahlreichen Privatstudien auf verschiedenen Gebieten sowie diversen Sportarten und wurde als Bohemien und „Kraftmensch“ bekannt, wobei diese Beschreibungen zum Teil legendenhaft ausgeschmückt wurden. 1848 kämpfte Canon als Mitglied der Akademischen Legion und trat 1849 in das Kürassierregiment 7 ein, quittierte jedoch 1850 den Dienst. Canon, der sich autodidaktisch weiterbildete, schuf ab 1847 erste Arbeiten, trat in Beziehung zum Künstlerkreis um Karl Rahl und schuf sich allmählich einen Namen als Porträtist. 1861 entstand eine Serie politischer Karikaturen, die daraus resultierenden Schwierigkeiten mit der Zensur wurden zwar später stark übertrieben, führten aber dennoch 1862 zu Canons Umzug nach Karlsruhe, wo er in der dortigen Kunstschule ein Privatatelier unterhielt und zahlreiche Schüler anzog. Dies führte zu Rivalitäten mit der Karlsruher Professorenschaft und bewog Canon 1869 zur Übersiedlung nach Stuttgart. Längst beschränkte sich seine Tätigkeit nicht mehr allein auf Bildnisse – Genrethemen und Illustrationen entwickelten sich zu weiteren Schwerpunkten. 1870 reiste er über Spanien nach Algerien, 1871 nach Rom. Ab 1872 hielt er sich wieder in Wien auf, zunehmend ergänzten jetzt die früher nur vereinzelt entstandenen Wand- und Deckenbilder sein Œuvre. Rasch entwickelte sich Canon neben Hans Makart zu einem der führenden Maler Wiens. 1877 bereiste er Skandinavien, im selben Jahr richtete ihm Fürst Johann II. von und zu Liechtenstein ein neues Atelier ein. Auch zum Kaiserhaus unterhielt Canon enge Kontakte: So schuf er 1879 für Kronprinz Rudolf ein Altartriptychon zur Silberhochzeit des Kaiserpaars. 1882 unternahm er auf Veranlassung des Fürsten eine Italienreise und erhielt zu dieser Zeit auch den Auftrag zur malerischen Ausstattung des Treppenhauses im Naturhistorischen Hofmuseum. 1885 vollendete er den „Kreislauf des Lebens“ für dieses Museum und wurde nach dem Tod Makarts mit der Ausstattung des Treppenhauses im Kunsthistorischen Hofmuseum betraut, die aber infolge seines unerwarteten Todes nicht über einige Skizzen hinauskam. Obwohl ein bedeutender Porträtist, war Canon auch nach eigenem Verständnis durchaus kein Vertreter eines vordergründigen Realismus. Auf der malerischen Grundlage des 16. und 17. Jahrhunderts aufbauend, suchte er meist nicht die kleine Form, sondern schuf eine kraftvoll-monumentale, häufig durch lebhaften Kolorismus bestimmte Figurenmalerei, die der Rahl-Schule nahestand, sich aber durch stärkere Dynamik und einen Hang zur Skizzenhaftigkeit auszeichnete und wesentlich dazu beitrug, die Lücke, die Rahls Tod in der Wiener Malerei hinterlassen hatte, zu schließen. Über die bloße Form hinaus suchte Canon, anders als Makart, auch philosophische und liberale Inhalte im Bild zu fassen und strebte gesamtkunstwerkhafte Wirkungen in umfassenderem Sinn an. Seine vielseitigen Interessen und Fähigkeiten begünstigten die Verbindung zum Hochadel sowie zur Wiener Gesellschaft und sicherten ihm im Kunstleben der Kaiserstadt eine namhafte Position, die u. a. in verschiedenen offiziellen Ehrenämtern zum Ausdruck kam. Ab 1861 (mit Unterbrechungen) Mitglied, 1882–1884 stellvertretender Vorstand der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens (Künstlerhaus), 1873 Ritter des Franz Joseph-Ordens, 1883 Prof. an der Wiener Akademie der bildenden Künste und Ritter der französischen Ehrenlegion.
Hans Canons Ölgemälde „Die Loge Johannis“ wurde bei der Wiener Weltausstellung in der österreichischen Abteilung präsentiert und erzielte beim Publikum einen großen Erfolg. Die Kunstkritik hingegen sprach dem Bild jegliche Originalität ab und tat es als Nachahmung von Rubens und Venezianischen Malern ab. Auch die Zeichnung und Abtonung seiner ebenfalls ausgestellten Radierungen wurden bemängelt.
Literatur: ÖBL; Bruno Meyer – A. Wolmann, Plastik und Malerei, in: Carl von Lützow (Hg.), Kunst und Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung 1873, 1875, S. 361f.; M. Thausing, Die vervielfältigenden Künste, in: Carl von Lützow (Hg.), Kunst und Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung 1873, 1875, S. 434.