Pavillon der Neuen Freien Presse
Im Lauf des 19. Jahrhunderts gelang im Bereich des Pressewesens die Überwindung vieler rechtlicher, politischer, ökonomischer und technischer Hindernisse, die die Verbreitung von Information eingeschränkt hatten. Insbesondere die Modernisierung der Drucktechniken führte zu einer „Entfesselung der Massenkommunikation“, von der nunmehr alle Gesellschaftsschichten profitieren konnten. So überrascht es nicht, dass die Neue Freie Presse, die führende Tageszeitung der Habsburgermonarchie, sich anlässlich der Wiener Weltausstellung in einer eigenen Ausstellung präsentierte.
Der nach den Plänen Hasenauers errichtete Pavillon befand sich an der Elisabeth Avenue, westlich des Haupteingangs. In der Gestaltung hatte der Chefarchitekt der Weltausstellung auch in diesem Fall an die italienische Renaissance angeknüpft. Das Objekt bestand aus einem zweigeschossigen mittleren Teil sowie aus zwei ebenerdigen Seitenflügeln. Der Mittelbau hatte drei Eingangstüren und trat deutlich hervor. Die vier Pfeiler an der Fassade vermittelten den Eindruck baulicher Einheit und Abgeschlossenheit. Sechs, beinahe die Höhe der Eingangstüren erreichende Rundbogenfenster an der Vorderfront der Seitenflügel rundeten das Gesamtbild harmonisch ab.
Der Bau trug die Inschrift „Neue Freie Presse – Erzeugung einer grossen Zeitung“, ein thematischer Hinweis: Den Besuchern wurde die Herstellung der unter dem Titel Wiener Weltausstellungs-Zeitung täglich erscheinenden Sonderbeilage gezeigt. Das Blatt wurde vor Ort redigiert, gesetzt, stereotypiert, gedruckt, gefalzt und am Ende selbstverständlich auch verkauft.
Im oberen Stockwerk befanden sich die Räumlichkeiten für die Redaktion, das Sekretariat sowie eine Bibliothek. Dieser Bereich war für Besucher nicht zugänglich. In den drei großen Sälen des Erdgeschosses konnten sie sich hingegen relativ frei bewegen und die Arbeitsabläufe beobachten. Einzelne Maschinen und Bereiche waren jedoch – um eine ungestörte Produktion zu gewährleisten, aber wohl auch aus Sicherheitsgründen – durch Galerien getrennt bzw. abgesperrt. In einem der Seitensäle befand sich die Setzerei, im anderen konnte sich das Publikum ein Bild über das Verfahren der Stereotypie machen. Hier war auch die Wassersäulenmaschine, die die im mittleren Saal ausgestellte Druckmaschine antrieb, untergebracht.
Bei der Druckmaschine handelte es sich um eine von der Wiener Firma Sigl hergestellte Rotationsdruckmaschine amerikanischen Typs. Der Mechanismus war nach Vorschlägen und Plänen von Christoph Reisser, dem technischen Direktor der Neuen Freien Presse, sowie des Firmeningenieurs Becker verbessert worden. Zum Erstaunen vieler Ausstellungsbesucher arbeitete die Maschine „ohne alle Beihülfe von Menschenhänden“ und führte sämtliche Arbeitsschritte, wie das Erfassen und Abrollen der Papierwalze, die Befeuchtung, Zuschneidung und Weiterleitung des Papiers auf dem Druckzylinder sowie das Bedrucken und das Falzen automatisch und in einer erstaunlichen Geschwindigkeit durch – sie druckte pro Stunde weit über zehntausend Exemplare jenes Blattes, das täglich über die Ereignisse der Weltausstellung berichtete.
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