Die Maschinenhalle
„Betritt man die Ausstellung, insbesondere die Maschinenhalle, so findet man geradezu das verkörperte Gehirn aller dieser tief denkenden Männer, die wirklich den Namen „Ingenieur“ verdienen.“
Dieses Zitat aus der Zeitschrift des österreichischen Ingenieur- und Architekten-Vereins spiegelt das Selbstbild der damaligen Technikergeneration wider. Die Weltausstellung war Leistungsschau, Medium der Selbstdarstellung und der Belehrung in einem.
Zuerst einmal bedeutete sie eine große Herausforderung: Neben den Ausstellungsbauten mussten eine leistungsfähige Infrastruktur errichtet, Tausende von Objekten aufgestellt und ihr reibungsloser Betrieb gesichert werden. Eine Bau-Abteilung, eine Maschinen-Abteilung sowie eine administrative und technische Rechnungs-Abteilung sorgten für die Planung und Durchführung der Arbeit. Wilhelm von Engerth, der schon bei der Donauregulierung Erfahrung mit der Durchführung von Großprojekten erworben hatte, wurde 1871 als Chefingenieur mit der Leitung betraut.
Die Vorarbeiten gestalteten sich schwierig: teils der politischen Großwetterlage wegen, anderseits erschien Österreich-Ungarn vielen Ausstellern als Absatzmarkt zu unbedeutend. Last but not least waren es viele der Aussteller selbst, die durch eine verspätete Ablieferung ihrer Objekte bis zuletzt für (ungewollte) Spannung sorgten. Wie bei solchen Großereignissen üblich – am Ende ging es sich doch irgendwie aus. Im Mai 1873 konnte die Maschinenhalle ihren Betrieb aufnehmen.
Es war allein von den Dimensionen her ein imposanter Bau: 800 Meter lang, 50 Meter breit und mit einer Firsthöhe von 26 Metern. Schon die sichtbare Dachkonstruktion und die beiden Reihen von je 110 Pfeilern, die die Seitentrakte vom Haupttrakt trennten, beeindruckten als Beispiel zeitgenössischer Ingenieurarchitektur. Die Halle war bewusst schlicht und funktionell gestaltet, um „die Fortschritte der Technik bei der ernsten Arbeit zu zeigen“.
Es gehörte zum Ausstellungskonzept der Veranstalter, möglichst viele der Maschinen in Betrieb zu zeigen. Zur Versorgung der Dampfmaschinen wurden acht Kesselhäuser errichtet. Wegen der Feuergefahr und der möglichen Rauchbelästigung waren sie möglichst weit entfernt von der allgemeinen Ausstellung (aber trotzdem zu besichtigen). Für die Versorgung der Kessel und der hydraulischen Maschinen wurden drei Wasserwerke errichtet. Siebzehn betriebsfähige Dampfmaschinen aus neun verschiedenen Ländern demonstrierten ihre Kraft. Sie übertrugen ihre Leistung von zusammen nahezu 600 Pferdestärken auf eine Reihe von Transmissionen. Es wurden 27 Transmissionsgerüste mit einer gesamten Wellenlänge von 794 Metern aufgestellt. Bilder, die das Ausmaß und die Anordnung dieser Einrichtung darstellen, beeindrucken noch heute.
Von den 284 Ausstellern in der Maschinenhalle wurde ein breites Spektrum des Maschinenbaus gezeigt. Neben den Antriebsmaschinen waren auch Lokomotiven, Eisenbahnwaggons und Maschinen für die Textil- und Druckereiindustrie die Attraktionen der Ausstellung.
Die Dampfmaschinen nahmen mit 670 Quadratmetern (von 6.316 Quadratmetern bespielter Fläche) den größten Platz ein – verdientermaßen, denn sie waren auf dem Höhepunkt ihrer technischen Entwicklung. Der Typus der liegenden Maschine mit Bajonett-Rahmen hatte sich durchgesetzt. Wie in vielen Berichten festgestellt wurde, war im Gegensatz zur Pariser Ausstellung 1867 in Wien keine Balanciermaschine mehr ausgestellt (stehende Dampfmaschinen mussten den schweren Waagbalken abwechselnd abbremsen und wieder beschleunigen, zudem arbeiteten sie bei Anheben des Kolbens gegen die Schwerkraft). Bei den liegenden Maschinen entfielen diese Probleme, der Preis dafür war aber ein höherer Verschleiß. Das Gewicht von Kolbenstange, Kreuzkopf und Pleuelstange ruhte auf der Gleitbahn, dazu kam noch die Reibung zwischen den Flächen. Dem konnten die Hersteller mit der Entwicklung neuer (mineralischer) Schmierstoffe und der Verbesserung der Werkstoffe beikommen. Präzise Steuerungen, wie die Corliss-Steuerung, ermöglichten einen ruhigen und vor allem sparsamen Betrieb.
Noch dominierten die Dampfmaschinen, aber sie standen schon im Wettbewerb mit anderen Systemen. Mit dem Bau städtischer Wasserleitungen erschien der Wassermotor als eine saubere und ungefährliche Alternative. Die Druckerpresse der täglich erscheinenden „Internationalen Ausstellungs Zeitung“ wurde von einem dieser Motoren angetrieben. Sein hoher Wasserverbrauch war für den Erfolg dieser Konstruktion nicht förderlich. Als sparsamer und leistungsfähiger sollten sich die Wasserturbinen erweisen, die ebenfalls ausgestellt wurden. Die Kombination einer kleinen Hochdruckturbine mit 2 PS Leistung und eines „magneto-electrischen Rotations-Apparates“ zum Betrieb eines Leuchtturms wies den Weg in die Zukunft – den der Nutzung der Wasserkraft zur Erzeugung elektrischer Energie.
Die Verbrennungsmotoren waren durch die Gaskraftmaschinen von Lenoir und Langen&Wolf vertreten, ein weiterer Mitbewerber war der Heißluftmotor von Lehmann. Als wenig erfolgreich erwiesen sich Exoten, wie ein Kohlensäuremotor oder der „neue“ Dampfmotor und der Calorimotor, beide von Friedrich Siemens.
Als am 2. November 1873 die Maschinenhalle schloss, waren 60.000 Zoll-Centner Ostrauer Kohle und ca. 9.000 Zoll-Centner Dux-Bodenbacher Braunkohle verheizt, 5.275 Pfund Mineral-Schmieröl und 3. 347 Pfund Schmierfett verbraucht.
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