Verlauf
Eröffnung mit Pannen
In Anwesenheit der Mitglieder des Kaiserhauses, staatlicher Würdenträger sowie zahlreicher hoher in- und ausländischer Gäste eröffnete Kaiser Franz Joseph am 1. Mai 1873 die Wiener Weltausstellung. Die Tagespresse gab sich patriotisch und lobte pathetisch die Großschau als Zeichen des Sieges des technischen Fortschritts, und Höhepunkt des gründerzeitlichen Wirtschaftswunders.
Doch der Tag verlief nicht ohne Pannen. Infolge des starken Regens am Eröffnungstag versank das Ausstellungsgelände im Wasser, zudem kam es infolge des starken Besucheranstroms zu einem Verkehrschaos. Die meisten Pavillons befanden sich noch im Bau, selbst das Innere der Rotunde, in der die offizielle Eröffnungszeremonie stattfand, musste für den großen Tag provisorisch adaptiert werden. Die schlechte Witterung hielt obendrein bis Ende Juni an und schreckte viele vom Besuch der Ausstellung ab.
Börsenkrach und Cholera
Noch schwerwiegendere Auswirkungen auf den Verlauf der Weltausstellung hatte der Börsenkrach: Am 9. Mai platzte die Gründerzeit-Blase, die infolge der an die Weltausstellung geknüpften geschäftlichen Hoffnungen und Spekulationen ins Unermessliche gewachsen war. Der „schwarze Freitag“ des Jahres 1873 besiegelte das Schicksal vieler Klein- und Großunternehmer.
Die prekäre wirtschaftliche Situation wirkte sich zusätzlich auf die Besucherzahlen aus, die bei weitem unter den Erwartungen blieben. Letzteres hatte aber auch mit den hohen Nächtigungspreisen zu tun. Versuche, wie die Reduzierung der Tageskartenpreise von 1 Gulden auf 50 Kreuzer, oder die Verlängerung der Öffnungszeiten mögen zwar die Besucher erfreut haben, konnten jedoch das drohende finanzielle Desaster nicht verhindern. Die Weltausstellung war kein Erfolgsgeschäft.
Kein Wunder, dass nach alldem die Euphorie alsbald der Ernüchterung wich und die öffentliche Meinung sich gegen die Weltausstellung wandte. Die Lage entspannte sich zwar im Juni, allerdings nur für kurze Zeit, um gleich dem nächsten „Todtengräber“ der Großschau, der Cholera, Platz zu machen. Die Epidemie erreichte im August ihren Höhepunkt. Im Laufe des Jahres raffte sie in Wien beinahe 3.000 Menschen dahin, in der gesamten Monarchie fielen ihr rund 290.000 Menschen zum Opfer.
Der Zusammenbruch der Märkte – der keinesfalls, wie viele meinten, auf die Weltausstellung allein zurückzuführen war – und die Choleraepidemie waren der Grund dafür, dass viele Zeitgenossen die Exposition als unglückseliges Großereignis einer „bang bewegten Epoche der Täuschungen und Enttäuschungen“ erlebten.
Seitenblicke 1873
Ein Gefühl des Unbehagens legte sich zwar über die Stadt, dennoch gab es immer wieder Momente, die für Ablenkung sorgten. Zu diesen gehörten zweifellos die gesellschaftlich-repräsentativen und politischen Großereignisse rund um die Weltausstellung, insbesondere die Wienbesuche zahlreicher regierender Fürsten und Staatsmänner: unter ihnen der deutsche Kaiser Wilhelm I. und die deutsche Kaiserin Augusta, Zar Alexander II. von Russland, der italienische König Viktor Emanuel II. sowie Fürst Otto von Bismarck. Doch der Besuch des Schah von Persien, Nāsir al-Dīn Shāh, stellte auch sie in den Schatten. Das für europäische Verhältnisse ungewöhnlich pompöse Auftreten des orientalischen Fürsten und seines Gefolges ließen diesen inoffiziellen Besuch zu einem der spektakulärsten Ereignisse der gesamten Ausstellungszeit werden.
Wehmütiger Abschied
Am 2. November, am letzten Ausstellungstag, wurde ein Rekord aufgestellt: 139.037 Besucher kamen, um ein letztes Mal die Großschau zu bewundern. Börsenkrach, Choleraepidemie und die negative finanzielle Bilanz schienen vergessen.
Die Wiener nahmen letzten Endes doch wehmütig Abschied von ihrer Weltausstellung. Es „ward ein Volksfest“ – so der Bericht der Neuen Freien Presse – „von einer Großartigkeit der Dimensionen, von einer Fülle und Mannichfaltigkeit der Gestalten, wie es unsere Generation noch nie in den Prater-Auen erleben konnte.“
– ázb –