Faszination Fernost am Beispiel Japans
Japans erste Beteiligung an einer Weltausstellung
Für Japan war die Teilnahme an der Wiener Exposition eine besondere Herausforderung, denn es war die erste Weltausstellung, die das Land beschickte. Am 12. Jänner 1872 hatte Heinrich Ritter von Calice die offizielle, von Kaiser Franz Joseph ausgesprochene Einladung dem Tenno in Tokyo überreicht. Schon wenige Tage nach dieser feierlichen Audienz gründete die japanische Regierung eine Ausstellungskommission und begann umgehend mit den Vorbereitungen.
Um die besten und repräsentativsten Ausstellungsobjekte auszuwählen, wurden noch im selben Jahr zwei nationale Ausstellungen in Kyoto und Tokyo abgehalten und dazu aus allen Landesteilen Japans eigentümliche, aufsehenerregende und nicht zuletzt wirtschaftlichen Interessen dienende Objekte zusammengetragen.
Die Leitung der japanischen Weltausstellungskommission übernahm Sano Tsunetami, ein ehemaliger Samurai, der gleichzeitig als erster japanischer Diplomat Japan am Wiener Kaiserhof vertreten sollte. Die Zahl der Delegationsmitglieder betrug rund 70 Personen, darunter Beamte und Fachleute, auch Studenten und Arbeitskräfte wie Tischler, Gärtner oder Zimmerleute, die für den Aufbau sorgten, aber auch westliche Einrichtungen kennenlernen und einige Zeit zu Ausbildungszwecken in Österreich verbleiben sollten. Auch ausländische Fachkräfte gehörten der Kommission an: Dr. Gottfried Wagener als technischer Berater, die Brüder Alexander und Heinrich von Siebold, primär für diplomatische Aufgaben zuständig, sowie Michael Moser als Dolmetscher. Am 29. Jänner 1873 reiste die Delegation mit dem französischen Dampfschiff „Phase“ mit sämtlichen Exponaten aus Japan ab und erreichte am 21. März den Hafen von Triest. Von hier ging es mit der Eisenbahn nach Wien.
Publikumsmagnet Japan
Japans Teilnahme an der Weltausstellung wurde zum überzeugenden Erfolg. Weit über die Grenzen der Monarchie hinaus fand die erstmalige Präsenz hohe Aufmerksamkeit, sowohl in der Welt der Wirtschaft und des Handels als auch auf dem Feld von Kunst und Kunsthandwerk. Besonders die Abteilung für Textil- und Bekleidungsindustrie erweckte großes Publikumsinteresse. Viele Museen erwarben Werke (in Wien das Museum für angewandte Kunst). Kleinere Handwerksstücke wie die feilgebotenen Fächer wurden als Andenken rund um die Uhr verkauft. Etwa 200 japanische Objekte bzw. deren Aussteller erhielten Preise und Medaillen. Auch fünf Ehrenpreise wurden an Japan verliehen.
Als Publikumsmagnet erwies sich neben der japanischen Abteilung im Ostflügel der Rotunde auch der auf dem Ausstellungsgelände angelegte japanische Garten mit einer Reihe von Gebäuden.
Versunkene Schätze
Ein hartes Schicksal traf Japan auf der Rückreise. Der französische Handelsdampfer „Nil“ war mit 191 Kisten der auf der Weltausstellung gezeigten Objekte in einem Taifun, kurz vor Erreichen von Yokohama, an der Südspitze der Halbinsel Izu untergegangen. Betroffen war etwa die Hälfte aller in Wien gezeigten Exponate. Teile der Ladung konnten später geborgen werden, doch der Verlust an kulturellen Schätzen, die vom Meerwasser vernichtet wurden, war hoch. Delegationsmitglieder hatten sich glücklicherweise nicht auf diesem Schiff befunden, sie waren mit verschiedenen Passagierschiffen heimgekehrt.
Für Japan wurde die Teilnahme in Wien dennoch zur Erfolgsgeschichte: Zum einen durch den Bekanntheitsgrad, den Japan weltweit erlangte, zum andern war dies auch die Geburtsstunde des ersten staatlichen Museums, des Nationalmuseums von Tokyo. Und nicht zuletzt ist auf die bedeutsame Rolle der Delegationsmitglieder zu verweisen, von denen später jeder in seinem Fach – Industrie und Technologie, Erziehungs- und Bildungswesen – einen wichtigen Beitrag zum Aufstieg Japans zu einem modernen Staat leistete.
– nm –